R.I.(a)P. – ein Sarg von Chanel?

Wowo Kraus ist Professor für Modedesign an der Universität der Künste Berlin. Wir sprachen mit ihm über seinen Chanel Sarg und das Thema Branding.

Lesezeit: 4 Minuten

 

Interview mit Prof. Wowo (Waldemar) Kraus

Wie sind Sie auf die Idee gekommen, einen Chanel Sarg zu kreieren?

Das Thema des Brandings von Objekten beschäftigt mich, seit ich in Italien für Emilio Pucci gearbeitet habe. Daraus ergab sich für mich die Frage: Würde eine Marke auch so weit gehen, einen Sarg anzubieten?

Tom Dixon, einer der bedeutendsten Möbeldesigner unserer Zeit, stellte in einem Interview mit dem ZEITmagazin 2017 fest, dass Babybetten und Särge die einzigen Objekte seien, die nicht designt würden. Für mich ist das nicht recht verständlich, denn Geburt und Tod sind die Eckpfeiler des Lebens. Wieso sollte man hier kein Design anwenden dürfen?

Design kann zeitlos sein. Nehmen Sie als Beispiel die Chanel-Tasche: sie ist gesteppt, seit Jahren unverändert und immer noch heiß begehrt. Ähnlich verhält es sich mit der Hermès-Tasche. Ich entschloss mich daher, einen Sarg zu designen und mit einem Branding zu versehen: innen und außen komplett mit hochwertigstem gesteppten Leder gepolstert und an mehreren Stellen mit dem Logo von Chanel versehen.

„Heute kaufen die Leute nahezu alles, auf dem ein bekanntes Logo steht. Sie hinterfragen aber nicht, ob es sich dabei um Qualität handelt.“

Warum wurde es gerade die Marke Chanel?

Chanel ist einfach der Papst aller Labels. Bei der Ausstellung sind die Leute am Schaufenster vorbeigegangen und haben den Sarg betrachtet. Ich war aber nicht sicher, ob sie die Botschaft auch verstanden hatten. Der Sarg ist für mich kein Kunstwerk, sondern mehr ein Kommentar. Er soll die Frage visualisieren, ob es wirklich einen Sarg von Chanel geben kann.

Wie sind Sie beim Bau vorgegangen?

Ein schlichtes Sargmodell war meine Basis. Technische Probleme traten vor allem bei der Polsterung und dem Nähen auf. Als Material verwendete ich hochwertiges und makelloses schwarzes Rindsleder, das mir von Ecco Leather zur Verfügung gestellt wurde. Das Auspolstern nahm ich schließlich mit einer Fachfrau vor.

Hatten Sie ein bestimmtes Vorbild eines Sargs?

Das klassische Sargmodell diente mir als Vorbild und zur Wiedererkennung. Bei einer minimalen und schlichten Form ist es deutlich einfacher, mit Leder zu arbeiten. Natürlich spielte auch der kulturelle Hintergrund eine Rolle: Das Objekt sollte so aussehen, wie ein Sarg in vielen Kulturen eben aussieht.

Das fertige Objekt habe ich letztendlich nur als Produkt fotografiert, nicht aber mit einem Model. Es ist eine Auseinandersetzung mit dem Tod. Bekanntlich heißt es: „Das letzte Hemd hat keine Taschen“. Der Sarg ist aber praktisch als das letzte Hemd zu sehen. Gleichzeitig kann man durch einen Sarg auch kommunizieren, wobei der Chanel Sarg eher als Couture-Sarg zu sehen ist. Eine individuelle Anfertigung, ganz nach persönlichem Geschmack und Stil.

Haben Sie eine Vorstellung vom Gebrauch des Sargs?

Ich sehe den Sarg mehr als Designobjekt. In der aktuellen Form würde er sich wegen der künstlichen Gerbung nicht verwenden lassen, für eine echte Bestattung müsste man allerhand ändern. Der Sarg ist ein Kommentar. Ein Sammlerstück für eine Kunstsammlung oder ein Museum.

Wo wurde der Sarg bisher ausgestellt?

Er stand bei Hoffmann Bestattungen in der Potsdamer Straße. Der Ort wurde bewusst ausgewählt, denn der Sarg konnte während der Berlin Art Week zwischen den vielen Galerien ausgestellt werden. Es ging mir vor allem um die Reaktionen: Ist es Kunst? Ist es ein Chanel Sarg? Warum ist er dort ausgestellt?

„Der Sarg soll die Frage visualisieren, ob es wirklich einen Sarg von Chanel geben kann.“

Wie stehen Sie zur heutigen Auseinandersetzung mit dem Tod?

Kein Zweifel: Der Tod wird weggeschoben, man redet nicht gerne darüber. Die Leute wollen sich auch keine Zeit mehr nehmen, um den Tod im Gespräch zu thematisieren.

An der UdK führe ich ein Projekt zum Thema Tod durch, von dem die Studierenden sehr angetan sind. Wir stellen uns dabei auch die Frage, ob das letzte Objekt im Leben ein Luxusobjekt sein soll oder darf. Heute kaufen die Leute nahezu alles, auf dem ein bekanntes Logo steht. Sie hinterfragen aber nicht, ob es sich dabei um Qualität handelt.

Rein modisch gesehen übte übrigens nur der Sarg von Papst Johannes Paul II. eine Wirkung aus, denn sein schlichtes Design aus Olivenholz fand viele Nachahmer.

Text: MR
Fotos: Studio Lapatsch/Unger

Wowo (Waldemar) Kraus studierte Modedesign am London College of Fashion und an der Middlesex University in London. Nach seinem Bachelor in „Womenswear” zog er 2005 nach Paris, wo er am Institut Francais de la Mode sein Studium mit einem Master abschloss. Im Rahmen seines Masters kollaborierte er mit Labels wie Louis Vuitton (Schuh-Design) und Nike (Lifestyle Projekt).

Nach seinem Master folgte ein kurzer Aufenthalt bei Maison Martin Margiela im Artisanal Line Studio, wo er in die Entwicklung der Couture-Unikate eingebunden war.

Im Juni 2007 folgte der Umzug nach Italien (Bologna, dann Florenz) ins Accessoire-Team von Emilio Pucci. 2009 fing er als Dozent am Polimoda Institut für Modedesign und Marketing in Florenz an, wo er bis 2014 Bachelor- und Master-Graduierte in ihren Abschlusskollektionen in den Bereichen Womens-, Mens-, Childrenswear, Accessories und Styling begleitete. Parallel dazu war Wowo Kraus als Fashion und Research Consultant für private Kunden tätig.

Seit Oktober 2014 ist er Professor für Modedesign an der Universität der Künste Berlin.

https://design.udk-berlin.de/personen/prof-wowo-waldemar-kraus/